Am 30. November 2023 trafen sich zur Wintertagung des immpresseclub e.V. in Berlin über 50 Teilnehmer – Journalisten der Immobilienszene, Immobilien-Ressortleiter einiger Publikumsmedien und einzeln geladene Gäste.
Der Vorstandsvorsitzende des immpresseclub e.v., Werner Rohmert, thematisierte in seiner Begrüßungsansprache Historie, Gegenwart und Zukunft der Immobilienwirtschaft. Zur Einstimmung blickte Rohmert kurz auf seine 25 Jahre alten Thesen, die sich in den letzten Jahren manifestierten zurück. Aus aktuellem Anlass des laufenden Jahres wunderte sich Rohmert bereits im Juni 1996: „Bewundernswert ist die Fähigkeit mancher AG’s, selbst die langweiligsten Immobilienbestände als ‚Phantasie‘ zu verkaufen, obwohl sie nach Analysen von Fachleuten bereits pleite ist.“ … „Was liegt da näher als gute Objekte kurzfristig abzustoßen, die schlechteren zu halten, Gewinne zu tunen und den Kurs zu beeinflussen.“ – Ein Schelm, wer dabei an „Wohnungen und Büros mit Phantasie“ in AG-Bilanzen denkt. Zum Thema Homeoffice stellte Rohmert schon im Mai 1996 fest , als Bildschirme noch 12 Zoll maßen und 1 m tief waren: „Bei jedem Dienstleister brauchen circa 50% der Mitarbeiter kein Präsenzbüro. Dazu kommt, dass Flächenersparnisse zwischen 10 und 25% durch organisatorische Maßnahmen möglich sind. Die Ansprüche bei Büros werden sich in puncto Qualität, Quantität und Lage dramatisch ändern.“ 25 Jahre dauerte es, bis der Katalysator Corona Visionen Wirklichkeit werden ließ. Auch ein weiteres Potpourri von Prognosesprüchen erheiterte. Allerdings feiern auch die dümmsten Fehler der Projektentwicklung heute ein Revival. Am dümmsten ist es, eine teure Immobilie auf ein billiges Grundstück zu setzen.
Aber bei aller damaligen Kritik an der eher zeitgeistigen Prognosefähigkeit der Immobilienwirtschaft ergab sich ein wesentlicher Unterschied zu heute. Die Grundstimmung zu Volkswirtschaft und Rahmenbedingungen war positiv. Was uns heute Sorgen macht, gab es nicht. Der Wegfall der Sonder-AfA war das größte Problem. Die heute schon oft beschriebenen großen, deutschen „D’s“, die das Leben schwer machen, gab es nicht. Demographie profitierte in den 90ern von der Wiedervereinigung. Globalisierung war angesagt, nicht Deglobilsierung. Dekarbonisierung war kein Thema. Statt Defense-Sonderschulden im dreistelligen Milliardenbereich zu planen, wurde die Friedensdividende abgeholt. Deutschland war führende Industrienation und stolz darauf. Deindustrialisierung war „irre“. Die Infrastruktur in den neuen Bundesländern explodierte. Der Westen hielt den weltbesten Status Quo. Und trotzdem wurde in den folgenden Jahren Deutschland der kranke Mann Europas.
Und wenn wir vorausschauen, statt uns an der Vergangenheit hochzuziehen, wird klar, dass die großen kommenden Entwicklungen strukturelle und keine zyklischen Probleme darstellen. Natürlich werden wir uns gewöhnen und Übertreibungen gehen zurück. Der Corona-Homeoffice-Boom bildet sich auf ein noch zu definierendes Niveau zwischen 10 und 20% des Flächenbedarfs zurück, aber ein Bodensatz bleibt. Private und institutionelle Käufer und auch Banken geraten immer mehr in Klimapanik. Das lähmt den Markt und zerlegt Bewertungen . Die Zwänge bleiben aber, auch wenn sie nicht so heiß gegessen wie geplant werden. Die Zinskrise erreicht bald den Höhepunkt und wird kalkulierbar. Die Zinsen bleiben aber. Inflation, Lieferkettenbruch, sowie Energie- und Kostenkrise bilden sich allein durch den Basiseffekt zurück. Es bleibt trotzdem alles teurer. Der Konjunkturzyklus trifft mit Verzögerung und ist zyklisch. Das Wachstum bleibt auch nach Erholung bloß undynamisch. KI/AI werden viel schneller sein als das Internet. Es braucht am Anfang wenig Hardware und funktioniert sofort. Die Bürowirkungen können hässlich werden. Im Fazit führen viele kleine Bodensätze aller einzeln zu beherrschenden Entwicklungen in der Addition zu einem Krisen-Potential, das zu einer Niveautransformation zumindest beim Büro führen wird. Die größte Büro-Krise der deutschen Industriegeschichte steht uns bevor!
Im ersten Vortrag ging Professor Dr. Michael Voigtländer, Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e.V. , eingehend auf die aktuelle Lage und Zukunft der Büromärkte ein. Noch stiegen die Spitzenmieten, die konjunkturelle Eintrübung belaste die Büromärkte aber zunehmend. So hänge die Zahlungsbereitschaft von den Gewinnen der Unternehmen ab und die makroökonomische Unsicherheit induziere Kosteneinsparungen. Das mobile Arbeiten ermögliche Einsparungen bei Flächen, was zu einer Konzentration auf essentiell wichtige Flächen führe. Als multiple Krisen für den Büroimmobilienmarkt identifiziert Voigtländer so die konjunkturelle Entwicklung, das mobile Arbeiten und die sich beschleunigende Entwicklung der Künstlichen Intelligenz. Profitierten die Büromärkte in den letzten Jahrzehnten von dem starkem Beschäftigungsaufbau könnten sie zukünftig durch das mobile Arbeiten und durch einen deutlichen Stellenabbau aufgrund des Arbeitseinsatzes von KI unter Druck geraten. Das mobiles Arbeiten schafft laut Voigländer Potenziale für Flächeneinsparungen insbesondere in den Bereichen der freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Berater, Werbung und Marktforschung, Dienstleistungen und Unternehmensberatung. Die KI könnte auf mittel- bis langfristige Sicht viele Aufgaben im Wirtschafts-/ Geschäftsbereich, im Management und in den Wissenschaften übernehmen und entsprechende Arbeitsplätze obsolet machen. Lediglich die Berufe mit hohen emotiven und sozialen Komponenten dürften von der KI langfristig verschont bleiben.
Um die Glut am Büroimmobilienmarkt am Glühen zu halten, bedarf es folglich einiger Anstrengungen. Entscheidend sind laut Voigtländer Konzepte, die für den Nutzer attraktiv sind (Co-Working, Satellitenbüros). Aus Nachhaltigkeitsgründen sollte der Fokus dabei auf Umbau und nicht auf Neubau liegen. Hilfreich könnten hier politische Anreize sein, „alte Kästen“ zu kaufen anstelle von bereits vollständig sanierten und zertifizierten Objekten. Insgesamt sieht Voigtländer keinen schnellen, harten Crash am Markt, aber allenfalls moderate Preisentwicklung Unter den Vermietern werde sich der Konkurrenzdruck verstärken.
„Der Gutachter soll den Markt beschreiben, nicht machen“ lautet die Devise von Piet Kok, Head of Valuation bei der Berlin Hyp in seinem Vertrag „Immobilienbewertung und Einfluss auf Bankenverhalten“. Doch was bleibt zu bewerten, wenn kaum Markt stattfindet? Wo liegt der Vergleichswert eines Objektes, wenn die Preisvorstellung des Verkäufers nicht erreicht wird? Und ist er tatsächlich höher, sollte ein Käufer mehr bereit sein zu zahlen, als der Verkäufer aufruft? Und wie bemessen und unterscheiden sich eigentlich Marktwert und Verkehrswert? Eine Bewertung sollte kontinuierlich erfolgen, das Überschreiten der 10%-Wertschwelle ist laut Kok Anlass für eine Neubewertung. Und diese Neubewertung werde deutliche Effekte auf die Kundengespräche haben, die die Banken über kurz- oder lang führen werden. Und die Preise geraten derzeit sowohl auf der Finanzierungsseite als auch auf der Ertragsseite unter Druck. Beim Einzelhandel bleiben die Fußläuferfrequenzen in den Innenstädten immer noch deutlich unter den Vor-Corona-Werten zurück, auch hochwertige Flächen werden zu günstigeren Konditionen vermietet. Die Kapitalwert- und Mietentwicklungserwartung im primären und sekundären Handel sehen die RICS für die nächsten 12 Monate negativ.
Lediglich die Mieterwartung im Prime Office Markt sehen die RICS positiv, alle übrigen Parameter stehen auf „negativ“. Wie sich die neue Arbeitswelt gestalten wird, wird sich zeigen. Klar sei aufgrund bisheriger Studien nur, dass dienstags um 11 Uhr Büroflächen am stärksten gebraucht werden. Tendenziell prognostiziert Kok einen rückläufigen Bedarf. Doch was tun mit den Flächen? Laut Kok eigneten sich nur rund 10% der obsoleten Flächen zum Umbau. Und wie schnell Büroflächen obsolet werden können verdeutlichte Kok am Beispiel von Warschau. In kaum einer anderen europäischen Stadt werde derzeit so viel gebaut, kaum eine andere Stadt sei so dynamisch. Kurze Mietlaufzeiten und der Wunsch der Mieter nach immer aktuellen Flächen führten dazu, dass in Warschau Büroobjekte auch schon mal nach 25 Jahren wieder abgerissen würden.
Auch sieht Kok den Attraktivitätsverlust von Immobilienanlagen gegenüber alternativen Investments. Der Renditevorteil vor Corona sei beispielslos hoch gewesen, trotz höherer Renditen. Der Spread von 300 bps gegenüber Unternehmensanleihen während der Niedrigzinsphase sei historisch hoch gewesen. Die Erwartung ist, dass wir da nicht wieder hinkommen und nach Kok auch nicht müssen, um einen liquiden Immobilienmarkt zu sichern.
Aus dem Kreis der Fördermitglieder stellte Michael Denk, Geschäftsführer Quadoro Investment GmbH, die Neuerungen des Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM) vor, der der Immobilienbranche transparente, wissenschaftsbasierte Dekarbonisierungspfade vorgibt, die an den Pariser Klimazielen ausgerichtet sind, den globalen Temperaturanstieg auf 2 °C zu begrenzen und 1,5 °C anzustreben. Mithilfe des Tools können Verantwortliche den CO2-Fußabdruck eines Gebäudes während der Nutzungsphase messen und gegen die Reduktionsziele benchmarken. Für jedes Gebäude wird eine exakte Position auf dem Dekarbonisierungspfad und der voraussichtliche Stranding Zeitpunkt ermittelt. Das neue CRREM-Update führt nun zur Verschärfung der Zielpfade und setzt die Immobilienbesitzer unter noch höheren Handlungsdruck und vor große Herausforderungen. Außerdem steigt zusätzlich die Verunsicherung, denn grundsätzlich gelte, dass die CRREM-Pfade jederzeit erneut angepasst werden können. Folglich müssen Immobilienbesitzer flexibel reagieren und ihr ESG-Reporting an entsprechende Updates zu Zielen und Methodik anpassen können.
„Denk ich an Deutschland in der Nacht…“ eröffnete Professor Dr. Johannes Beermann, Vorstand Deutsche Bundesbank a.D., Staatsminister a.D. seinen Impulsvortrag zum Thema Finanzierung mit anschließender Diskussion und summierte damit gleich die Aussichten und Perspektiven. Zwar zeige sich die Inflation nach den Rekordständen Ende 2022/ Anfang 2023 wieder rückläufig auf im November rund +3,2% und die Zinsrallye scheint zunächst beendet, die Auswirkungen der beiden Parameter auf die Geldwirtschaft seien aber nach wie vor nicht abschließend absehbar, da diese zeitverzögert reagiere. Der Zinspeak sei wohl erreicht, Zinssenkungen seien im Verlauf des 1. Halbjahres denkbar. Dass der Zins aber je wieder auf den Rekordtiefststand der letzten Jahre sinke, sei unwahrscheinlich. Das Zinsinstrumentarium ließe sich die EZB nicht wieder aus der Hand nehmen. Und mit einem Zinssatz zwischen 3 und 4% ließe sich leben und arbeiten. Beermann erinnerte sich an die Expo Real Messen der Jahre 2010 und 2011, wo das Erreichen der 4%-Marke von den Investoren feucht fröhlich gefeiert worden ist. Die Feierlaune ist jetzt verebbt, Beermann rechnet mit einer Fortsetzung des negativen Trends in der Bauwirtschaft.
Die Preise am Gewerbemarkt verliefen historisch gesehen synchron zur wirtschaftlichen Entwicklung, was einen Ausblick auf die wirtschaftliche Entwicklung der nächsten Quartale geben dürfte. Neben der wirtschaftlichen Eintrübung identifizierte Beermann auch die hohe Unsicherheit als limitierenden Faktor. Er könne sich an keine Situation erinnern, in der die Unsicherheit je so hoch und zudem eine Regierung so uneins gewesen sei. Neuwahlen sieht Beermann derzeit nicht, wie die Deutschen 2025 wählen werden, werde spannend. Ministerialdirektor a.D. Robert Scholl bestätigte die gedrückte Stimmung in den Ministerien. Es würde zwar viel gearbeitet aber sich auch viel gegenseitig abgearbeitet. Das Engagement der Bundesbauministerin Klara Geywitz lobten sowohl Scholz auch auch Beermann. Sie versuche viel, oft seien ihr aber die Hände gebunden. In der abschließenden Diskussion: „Wohnimmobilien – Chancen, Bewertungen, Trends und Pleiten“ diskutierten Werner Rohmert, Klaus Franken, Geschäftsführer Catella Project Management, Geschäftsführer, Nicola Halder-Hass vom Verband für Bauen im Bestand e.V., sowie Professor Dr. Johannes Beermann und Frank Peter Unterreiner, Herausgeber Immobilienbrief Stuttgart und selbst am Stuttgarter Wohnimmobilienmarkt Aktiver, über die Lage am Wohnimmobilienmarkt. Unzweifelhaft sei, dass ein hoher Bedarf an Wohnraum bestehe, die Nachfrage übersteige das Angebot und stelle weiteres Mietsteigerungspotenzial in Aussicht. Die kontinuierliche Cashflow-Kalkulation stellt Klaus Franken ins Zentrum der Betrachtung. Die Zeiten, in denen Gewinne allein durch Preissteigerungen in die Kasse gespült wurden, seien vorbei. Bei einem Vulkanausbruch sei man gut beraten, zunächst das Weite zu suchen. Aber in der nächsten Phase gelte es zu retten, was zu retten ist. Dann beginne die Bergung und Schadensanalyse. Schließlich ist es Zeit zum Wiederaufbau. Dabei mag das Bild des Vulkans Hoffnung vermitteln, denn bekanntlich ist die Vulkanerde sehr fruchtbar und nach Ende der Eruption lässt die Natur (und der Markt) Früchte wieder wachsen und gedeihen. Nach der Eruption gelte es schnell die Ärmel hochzukrempeln und anzupacken. Auch Franken sieht den Zinspeak erreicht und deshalb könne jetzt wieder gerechnet werden und das hauptsächlich auf Basis des Cashflows. Ohne das Eingreifen der Politik werde es aber schwierig. Zum einen bedarf es einer Entbürokratisierung, die sich negativ auf die Kosten niederschlägt. Ziel müsse es sein, den Quadratmeter wieder für 2.500 Euro errichten zu können.
Eine Lanze für die Bestandssanierung brach Nicola Halder-Hass vom Verband für Bauen im Bestand e.V.. Frank Peter Unterreiner sieht die Zeit für Investments in Wohnen bereits gekommen. Der Markt werde wieder anziehen und die Preise hätten bereits so nachgegeben, dass sich antizyklisches Investieren jetzt lohnen könnte.
Auf der diesjährigen immpresseclub-Mitgliederversammlung wurden der Vorstand, bestehend aus dem langjährigen Vorsitzenden Werner Rohmert, Brigitte Mallmann-Bansa, Chefredakteurin Immobilienzeitung und Frank Peter Unterreiner, Herausgeber „Immobilienbrief Stuttgart“, entlastet und mit großer Mehrheit wiedergewählt. Ebenfalls entlastet und im Amt bestätigt wurde der langjährige Schatzmeister Ministerialdirektor a.D. Robert Scholl.
Alle im Tagesverlauf neu gewonnen Informationen, gehörte Meinungen und aufgezeigte Perspektiven wurden, bei einem gemütlichen gemeinsamen Abendessen weiter ausführlich diskutiert. Die Prognosen der Vereinsmitglieder für das kommende Jahr fielen dabei unterschiedlich aus. Sicher ist nur, dass das nächste Treffen des immpresseclub e.V. im Juni stattfinden wird und das 20-jährige Bestehen des Verbandes im Dezember 2024 feierlich zelebriert werden soll.
Text: Constanze Wrede, Chefredakteurin „Der Immobilienbrief“
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